Ich bin seit einem halben Jahrhundert Fotograf, mit Bildern vertraut, und doch fühle ich mich, was die Malerei angeht, als Autodidakt. Es begann an einem grauen Novembertag. Mit Nitrolacken habe ich eine Sommerlandschaft „gegossen“, natürlich im Freien, denn die Bäume, Felder und Wiesen auf meinem Malgrund stanken mörderisch. Zwar versuchte ich mit einem Pinsel, Einfluss zu nehmen, zu gestalten, doch die Farben gehorchten mehr dem Zufall als mir, durchmischten sich schäumend und in bunten Blasen. So entstand eines meiner frühen Bilder, eine Landschaft bei Saalfeld, nicht mit einer Kamera aufgenommen. Das war 1978. Meine erste Darmkrebsoperation lag gerade ein Jahr zurück. Mehrere Monate durfte ich nicht fotografieren und ich begann mit Buntstiften meiner Kinder zu kritzeln. Das machte mir Spaß, bis ich genesen wieder auf Dienstreise ging. Zwar hatte mich der Alltag wieder, aber in mir arbeitete etwas. Nie wieder sollte ich die Stifte aus der Hand legen, meine Palette erweiterte sich hingegen um pastose und flüssige Acrylfarben. Es drängte mich in die Natur: Hiddensee, die geliebte Insel, wurde Thema meiner malerischen Annäherung. Im Ergebnis konnte ich dort 1997 im Heimatmuseum erstmals Malerei ausstellen. Meine journalistische Vergangenheit ließ mich jedoch nicht los und lenkte auch in Zeichnungen und Malerei den Blick auf die Welt. Es war die Zeit der Irakkriege, des Terrors, der nicht endenden Konflikte in Palästina, der Flüchtlinge und Naturkatastrophen, deren Echo sich nun in meinen Bildern fand. Selbstverständlich gehörten auch Frauenporträts und Akte zu meinen Themen. Das Weibliche wurde zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit für Jahre, malerisch wie fotografisch, nun frei und im eigenen Auftrag.
Heute kann ich mich von der Fotografie lösen, vom Dokument und ihrer objektiven Komponente. Ich wage, was ich fühle, dann erlebe ich ein anderes Sehen, etwas Neues, eine andere Art der Kreativität. Und dennoch: Die Fotografie hat mich geprägt, gebildet und befähigt, mit Zeichnungen und Malerei Neues zu versuchen. Der Sucherblick prägte mein Formbewusstsein. Die Farben auf meiner Palette kamen überfallartig mit donnernden Rottönen über mich. Wie sanft dagegen empfinde ich mein Schwarz, mein Weiß und mein Grau der unzählbaren Fotografien. Nun bin ich gespannt, wohin mich die Reise noch führen wird.
Peter Leske, Juni 2021